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SPIP von Anfang an

Donnerstag 12. September 2019, von klaus++

SPIP ist ein (S)ystem für das (P)ublizieren im (I)nternet. (P)unkt.
Wie SPIP entstanden ist und es sich seitdem entwickelt hat, dazu liefert dieser Artikel einen knappen Überblick. Kann ein Projekt nach bald 20 Jahren immer noch innovativ und einflußreich sein? Für eine Antwort auf diese Frage muss man den Blick über den Programmiertellerrand hinaus richten, und sich Rahmenbedingungen und Folgen eines Projekts ansehen. Dieser Artikel will dazu anregen.

Wie alles anfing

1996 erscheint die leicht konfuse US-libertäre "Declaration of the Independence of Cyberspace" von John Perry Barlow.

1997 veröffentlichen Arno* und seine Freunde vom Webzine Uzine als europäische Antwort das "Manifest des unabhängigen Web". Darin wird das WWW als Ausdruck der Vielen im Gegensatz zu den zentraliserten und monopolistischen Medienkonzernen beschrieben. Der Übernahme des WWW durch die Monopole und der Zentralisierung des Internet wird der Kampf angesagt.

2001 ist aus dem Manifest nutzbare Software entstanden. Bei der Veröffentlichung von Version 1.0 am 1. Juli 2001 ist SPIP das erste und weltweit einzige CMS, mit dem jeder in weniger als einer halben Stunde seine eigene Website erstellen kann, komplett mit Redaktionssystem, RSS, Foren, Petitionen und einer Template-Sprache zur einfachen Gestaltung des Aussehens. Im frankophonen WWW löst es Jahre vor Facebook und Twitter eine Revolution aus, denn im Sommer 2001 kann sich auf einmal jede kleine Gemeinde und jede Initiative mit SPIP einfach und kostenlos im WWW vorstellen.

2009 zünden Arno* und seine Freunde die nächste Stufe ihrer Revolution. Das soziale Netzwerk #SeenTHIS startet mit einer beeindruckenden Community aus unabhängigen Köpfen, ein selbstverwaltetes soziales Netzwerk als Gegengewicht zu Twitter, Facebook und anderen Konzernplattformen. #SeenTHIS wird unter SPIP entwickelt und setzt auf vollkommene Offenheit. Kernidee sind gegenseitige Empfehlungen und Verschlagwortung der Links und Beiträge. Als kollektives Blog soll #SeenTHIS für Aktivist/inn/en, Forscher/inn/en und Autor/inn/en unzensierte Öffentlichkeit im WWW herstellen.

Status Quo

Heute im Jahr 2019 ist SPIP "volljährig" und immer noch quicklebendig. Das französische Außenministerium ist der größte SPIP-Anwender mit hunderten von Websites. Es gibt auch einen "offiziellen" SPIP-Hoster, der für die Sicherheit von Plugins und der aktuellen SPIP-Version einsteht. Das ist ein Widerspruch zum radikal individualistischen Konzept des Projekts, das sich sogar der Gründung eines Unterstützungsvereins verweigert. Der Pragmatismus siegt auch hier und wird dabei immer wieder eingehegt vom Anspruch der Community, allen Mitgliedern eine gleich wichtige Stimme zu geben.

So hat auch die Ästhetik Einzug in die Nutzergemeinde gehalten, und eine Reihe ansprechende Design- und Layoutvorlagen ergänzen heute die pädagogisch gedachten Standarddesigns.

SPIP hat "Kinder" bekommen. Der Youtube-Clone MediaSPIP und das "soziale Netzwerk" #Seenthis haben den Anspruch, die positiven Elemente der bekannten großen Plattformen ohne ihre Nachteile zu kombinieren.

Und weiter ...

SPIP, MediaSPIP oder #SeenTHIS sind heute kleine aber feine Alternativen zu den milliardenschweren Konzernplattformen. Die SPIP-Community hat sich Marketing und Außensteuerung immer verweigert. Im Ergebnis profitieren alle Teilnehmer/inn/en von fruchtbaren Diskussionen zwischen den unterschiedlichsten Menschen. Es gilt die SPIP-Devise tendresse et logiciel libre [1] . Sie formuliert einen menschlichen Anspruch an Entwicklercommunity und "soziales Netzwerk", der ausdrücklich Qualität und freundschaftliche Umgangsformen umfasst.

Gewicht und Einfluß hat das Ganze durchaus, und das liegt an den Beteiligten. Auf #SeenTHIS treffen sich Gelbwesten mit Journalistinnen und Journalisten, Feministinnen mit Codern und Verteidigerinnen der Commons, der kreativen und materiellen Gemeingüter. So wie @stephane, der beim AFNIC, der Partnerorganisation unseres DENIC, für DNS und Sicherheit zeichnet, sind viele Teilnehmer der SPIP-Projekte in ihren Communities sehr anerkannt. Ihre Themen und Positionen werden freundschaftlich diskutiert und aus #SeenTHIS in andere Netzwerke eingespeist.

Auch ohne offizielle Roadmap erlebt SPIP heute eine lebendige Entwicklung. Die Programmierer/innen und Supporter/innen greifen viele gesellschaftliche und technische Trends auf, die sich starren Vorgaben entziehen. Das macht SPIP zu einem der flexibelsten Werkzeuge für die Entwicklung des WWW.


Links

A Declaration of the Independence of Cyberspace - https://www.eff.org/cyberspace-independence
Manifest des unabhängigen Web - http://www.uzine.net/article65.html
Die offizielle Website von SPIP - https://www.spip.net/
Designvorlagen für SPIP von HTML5 UP! - https://plugins.spip.net/spip.php?page=recherche&recherche=html5up&compatible_spip=3.2]
L’histoire minuscule et anecdotique de SPIP - https://www.spip.net/fr_article918.html
Stéphane Bortzmeyer https://seenthis.net/people/stephane
Media SPIP - https://www.mediaspip.net/?lang=en
#SeenTHIS https://seenthis.net/

Du logiciel libre et de la tendresse https://blog.spip.net/


[1Übersetzt Zärtlichkeit und freie Software